Schäden durch chemische oder physikalische Behandlungen

Pestizide in der Vergangenheit und alternative Verfahren heute

In der Vergangenheit wurden hochgiftige Gase und Pestizide zur Schädlingsbekämpfung in Museen, Archiven oder Sammlungen eingesetzt (Tello 2018 und 2022). So waren in Deutschland im Zeitraum 1925 bis 1935 insektizide Begasungsmittel wie Ethylenoxid mit Kohlendioxid (T-Gas) oder Blausäure (Zyklon B) gegen Schadinsekten im Einsatz. Als erster Vertreter der pulverisierten Insektizide kam DDT-Staub zum Einsatz, der bis heute noch Probleme in alten Gebäuden mit sich bringen kann. Die Rückstände von DDT können sich auch in historischen Bibliotheken wiederfinden, wenn dort gegen Schädlinge vorgegangen wurde. Die Imprägnierungsmittel Eulan und Globol galten 1965 als zugelassene Mittel gegen Woll- und Pelzschädlinge gemäß dem Vorratsschutzmittel-Verzeichnis der Biologischen Bundesanstalt Braunschweig. In den Jahren 1980 bis 1997 folgte das Begasungsmittel Brommethan der Zyklon-Blausäure und wurde ab 1997 durch den noch heute zugelassenen gasförmigen Holzschutzmittel-Wirkstoff Sulfuryldifluorid (Vikane) abgelöst.

Auch in der Gegenwart können bei Anwendung von chemischen Produkten oder beim Einsatz von alternativer Verfahren mit physikalischer Wirkung mögliche Veränderungen oder Schäden an Objekten oder Gebäuden entstehen. Unter Umständen passiert dies mit fehlender Fachkenntnis und Erfahrung oder mangelhafter Technik.

Beispiele aus der Praxis und Wissenschaft

  • Korrosion von Metallgegenständen und Legierungen durch Phosphin / Phosphorwasserstoff (Gas)
  • Farbänderungen an  Tönungen und Malereien durch Cyanwasserstoff (Gas) in Kirchen
  • Materialveränderung (schwefelhaltige Materialien, Leder, Pergament, tierische Leime, polierte Metalloberflächen und Bleipigmente durch Brommethan (Gas)
  • Abnahme der Zugfestigkeit von Seide und Zellulosematerialien durch Ethylenoxid (Gas)
  • Verschlechterung der mechanischen Eigenschaften bei Textilien durch Gammastrahlung
  • Sulfuryldifluorid (Gas) kann Korrosion verursachen.
  • Einwirkung auf Pigmente und Bindemittel durch Kohlensäure bei einer Kohlendioxidbegasung bei erhöhter Luftfeuchte
  • Schädigende Wirkung auf DNA durch reaktive Begasungsmittel
  • Negative Beeinflussung von DNA durch den Wirkstoff Dichlorvos (nicht mehr zulässiges Biozid, das früher häufig in Insektensammlungen eingesetzt wurde)
  • Risiko einer Schädigung durch chemische Rückstände oder reaktive Lösemittel (z. B. Alkane/Kohlenwasserstoffe) durch Sprüh- oder Nebelmittel von konventionellen Schädlingsbekämpfungsprodukten.
  • Mögliche Verschlechterung der Zugfestigkeit bei Seidenstoffen durch das feuchtegeregelte Warmluftverfahren
  • Auswirkungen bei hohen Temperaturen auf die DNA in entomologischen Sammlungen
  • Freisetzen von Geruchstoffen bei getrockneten Pflanzen (Herbarien) durch das feuchtegeregelte Warmluftverfahren.
  • Schwundrisse an gefassten Holzoberflächen (z.B. Möbel) bei fehlender Befeuchtung während einer Anoxia-Behandlung mit Temperierung.
  • Schädliche Wirkung von fungizidem Thymol (IUPAC: 5-methyl-2-isopropyl-1-phenol) auf Papierträger, Gummiarabikum und Eisengallustinte.
  • Verfärbungen an Elfenbein durch Schwefeldioxid (SO2) im Laborversuch

Farbveränderung an Methylblau auf Trägerstoff nach Ozon-Behandlung (unveröffentlichter Versuch, HAWK Hildesheim 2023)

Schädlingsbefall in kontaminierten Sammlungen

In der Praxis können auch Schadinsekten in Sammlungen mit schadstoffbelasteten Objekten auftreten. So wurde in der Vergangenheit aktiver Kleidermottenbefall in Depoträumen mit volkskundlichen Textilien oder historischen Reitzubehör festgestellt, in denen insektizide Rückstände von z.B. DDT, 1,4-Dichlorbenzol oder Naphthalin nachgewiesen wurden. Oder auch lebender Nagekäferbefall am Holz von Gebäuden in Freilichtmuseen, die mit hohen Rückständen von chemischen Holzschutzmitteln wie Lindan und PCP belastet sind. Diese Fälle zeigen, dass ein langfristiger Schutz durch chemische Schädlingsbekämpfungsmittel an Museumsexponaten nicht gewährleistet werden kann. Der Einsatz von rückstandsfreien Verfahren sollte im Sinne der Integrierten Schädlingsmanagements bevorzugt werden, um Objekte, Mensch und Umwelt vor negativen Einflüssen von chemischen Pestiziden zu schützen.

Alternative Verfahren sind die Anwendung von mechanischen, physikalischen oder biologischen Methoden, die im Europäischen Standard DIN EN 16790 enthalten sind.

Literatur

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Grosser D, Rossmann E (1974) Blausäuregas als bekämpfendes Holzschutzmittel für Kunstobjekte. Holz als Roh- und Werkstoff 32: 108-114

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Tello H. (2022) Schädlingsbekämpfung in Museen. Wirkstoffe und Methoden am Beispiel des Ethnologischen Museums Berlin 1887 – 1936.

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Stephan Biebl

Dipl.Ing. (FH) Holztechnik
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