Sicherheitsvorkehrungen bei Anwesenheit von Bioziden

Als Fluch der Vergangenheit oder treffend benannt als „Büchse der Pandora“ gilt die Belastung von Exponaten in Museen oder historischen Gebäuden (z.B. Freilichtmuseen), wo in der Vergangenheit chemische Bekämpfungen (zum Teil mehrfach) durchgeführt und Kulturgüter, wie Holz oder Textilien mit PCP, Lindan oder anderen Chemikalien behandelt wurden. In vielen Bibliotheken oder Kirchen gelten Oberflächen als kontaminiert, wie es aus Naturkundemuseen bei Tierpräparaten mit Arsen bekannt ist. Immer wieder kommt es auch zu einem Kleidermottenbefall an pestizidbelasteten Textilien oder Nagekäferbefall an holzschutzmittelbelasteten Gebäuden, wo man auf eine Resistenz der Schadinsekten über längere Zeit-Epochen zurückführen kann. Siehe auch Thema “Schädlingsbefall in kontaminierten Sammlungen” unter Schäden durch chemische oder physikalische Behandlungen. Aus diesem Grund wird in Museen, Archiven oder Bibliotheken bei der Schädlingsbekämpfung mittlerweile stark darauf geachtet, ohne chemische Wirkstoffe auszukommen.

Anzeichen von möglichen Pestizid-Rückständen sind Farbveränderungen, Kristalle, weißer Staub auf Objekten oder Oberflächen und in manchen Fällen wahrnehmbare Gerüche. In Gebäuden können an Dachstühlen unter Umständen alte “Dachkarten” (Dokumentation gemäß DIN 68800-4) gefunden werden, die als Hinweis auf chemische Behandlungen mit flüssigen Holzschutzmitteln vor Ort dienen.

Rückstände von früheren Behandlungen können mit technischen Hilfsmitteln, wie mobile Röntgenfluoreszenz(RF)-Analysatoren oder mobile Raman- und FTIR-Spektroskopie für die In-situ-Messung von chemischen Wirkstoffen, in Sammlungen erfasst und gemessen werden. Staub- oder Raumluftproben können zur Analyse von Rückständen in Räumen ebenfalls genutzt werden.

13. Sept. 2020 Arbeitsausschuss – Arbeitssicherheit gegründet. Die Sensibilisierung auf Gefahrensituationen und bedenkliche Stoffe, Entwicklung von Handlungsanleitungen und Netzwerkbildung sind u.a. Themen, die die Vorsitzenden Dr. Boaz Paz (Chemiker) und Dirk Sturmfels (Restaurator) bearbeiten wollen. Quelle: VDR (Verband der Restauratoren)

1. Juni 2022: Startschuss für das Forschungsprojekt MUSAMUSA – Innovative (Multi)-Methoden zum sicheren Umgang mit schädigenden Altbioziden. Gefördert wird dieses Projekt über einen Zeitraum von drei Jahren von der Deutschen Bundestiftung Umwelt (DBU). Das MUSA-Kernteam bestehend aus Dr. Elise Spiegel von Care for Art, Dr. Katharina Deering und Dr. Stefan Rakete vom LMU Klinikum sowie Carolin Wübbe von Ascora blicken den drei kommenden arbeitsintensiven Jahren erfreut entgegen

Nachfolgende Experten und Dienstleister sind auf Beratung, Analyse und/oder Dekontamination im Museumsbereich oder bei historischen Gebäuden spezialisiert (Stand 2022):

Literatur

Arbeitskreis Konservierung/Restaurierung (2018) Fachtagung des DMB 2016 “Achtung! Gefahrgut im Museum – vom Umgang mit schadstoffbelastetem Kulturgut”

Angelova L. et al (2023) The use of poisonous insecticidal solutions in bookbinding: coping with historic pesticide treatments in the archive. Heritage Science 11

Arndt L. (2022) Poisonous Heritage: Chemical Conservation, Monitored Collections, and the Threshold of Ethnological Museums. Museum & Society, 20 (2), 282-301

Feuersenger M. (2018) Und ewig droht der Mottenbefall – Insektizidausrüstungen an Vogelbälgen im Fraßtest. Der Präparator 64, S. 38-47

Forschungsallianz Kulturerbe (2014) Schadstoffe in Museen. Begleitheft zum Symposium im Residenzschloss Dresden, 50 Seiten

Found C. and Helwig K. (1995) The reliability of spot tests for the detection of arsenic and mercury in natural history collections: A case study. Collection Forum, 11 (1). pp. 6-15

Goldberg, L. (1996) A history of pest control measures in the anthropology collections, National Museum of Natural History, Smithsonian Institution. Journal of the American Institute for Conservation 35(1):23–43

Grosche E. (2011) Dünnschichtchromatographischer Nachweis von Organochlor-Bioziden und synthetischen Pyrethroiden in Holz, Conserva Beiträge zur Erhaltung von Kunst- und Kulturgut, Heft 1/2 2007, 113-120

Henderson J. and Rumsey K. (2015) Communicating Pesticide Contamination Messages. Collection Forum 2015; 29 (1–2), 49–60

Homolka, M. (2013) Eulan Woguman – Eine deutsch-deutsche Geschichte zur Anwendung und Entwicklung von Mottenschutzmitteln, Restauro 7, 45-49

Jelen E (2016) Analytik und Erfolgskontrolle im Umgang mit kontaminierten Objekten. Beitrag in: Kontaminiert – Dekontaminiert. Schriftenreihe des Bayerischen Landesamtes für Denkmalpflege, Band 13 Hrsg.: Bayern, Landesamt für Denkmalpflege, München 2016, 63-65

Kania-Schütz M. (2020) Herausforderung Holzschutzmittel Zum Umgang mit Schadstoffen aus Holzschutzmitteln in kulturhistorischen Museen, Werkstattgespräch am 13. November 2018. Schriftenreihe Freundeskreis Freilichtmuseum Südbayern e.V. 107 Seiten

Kontaminiert – Dekontaminiert, Strategien zur Behandlung biozidbelasteter Ausstattungen Inhalte, Projekte, Dokumentationen, Schriftenreihe des Bayerischen Landesamtes für Denkmalpflege, Band 13 Hrsg.: Bayern, Landesamt für Denkmalpflege, München 2016, 144 Seiten

Krug, S., H. Tellow, A. Unger, B. Paz, and S. Simon. (2007) Biocide determination in ethnological collections- A methodological approach. Zeitschrift für Kunsttechnologie und Konservierung 21 (2): 270-274.

Odegaard, N., and A. Sadongei. (2005) Old Poisons, New Problems: A Museum Resource for Managing Contaminated Cultural Materials. AltaMira Press, Walnut Creek, CA. 160 p.

Püschner K., Jelen E. und Wiedemann G. (2010) DDT und PCP in Holzobjekten. Möglichkeiten der Dekontamination mit dem Laserverfahren. Conserva Beiträge zur Erhaltung von Kunst- und Kulturgut, Heft 1 / 2010, 105-111

Rotberg W. et.al. (1997) PCP-Pilotsanierung durch ein feuchtegekoppeltes thermisches Verfahren, In: Umwelt Bd. 27, Nr. 5, S. 56-59

Schieweck A., Salthammer T. (2014) Schadstoffe in Museen, Bibliotheken und Archiven. Fraunhofer IRB Verlag. 2.Auflage. 275 Seiten

Spiegel E. et al. (2019) Handreichung zum Umgang mit kontaminiertem Sammlungsgut. 108 Seiten

Spiegel E. et al. (2019) Ambient- und Humanbiomonitoring von toxischen Metallen und Organochlorbioziden an einer naturkundlichen Sammlung. Restauro Nr. 2. S. 32-35

Stiftung Deutsches Historisches Museum (2015) Segen und Fluch: Biozide
Verwendung, Analytik, Bewertung
. Biozid-Forschungsprojekt BAM-DHM. 54 Seiten. Zugriff 20.03.2021

Tello H. (2022) Schädlingsbekämpfung in Museen. Wirkstoffe und Methoden am Beispiel des Ethnologischen Museums Berlin 1887 – 1936. 

Tello H. (2015) Handle with Care – Altlasten präventiver Konservierungen in musealen Sammlungen. In: Segen und Fluch: Biozide – Verwendung, Analytik, Bewertung. Deutsches Historisches Museum, 2015, S. 6 – 11. Online unter: https://www.dhm.de/fileadmin/medien/relaunch/sammlung-und-forschung/Publikationen/Biozide_Publikation_Ansicht.pdf, zuletzt aufgerufen 08. 05. 2018.

Unger A. (2000) Dekontaminierung öliger, chlorkohlenwasserstoffhaltiger Holzschutz- und Holzfestigungsmittel aus musealen und denkmalgeschützten Objekten. DBU-Abschlussbericht Az: 08118, August 2000

Paz B. und Wilke N. (2022) An investigation into the decontamination of biocide polluted museum collections using the temperature and humidity controlled ICM method. In: The Future of Heritage Science an Technologies, Material Science, Chapter 12, Springer

Paz B. (2013) ‘Wer konserviert den Restaurator? Gefährdung der Museumsmitarbeiter durch kontaminiertes Kulturgut’, Kulturbetrieb Magazin, 3, S. 56-57

Ruaux, N. (2013) ‘Les résistances aux insecticides, antiparasitaires, antibiotiques…’, Les cahiers de la recherche. Santé, environnement, travail, Anses. https://hal-anses.archives-ouvertes.fr/anses-01568720

Schieweck A. et al (2007) Occurrence of Organic and Inorganic Biocides in the Museum Environment,
Atmospheric Environment, 41 (15) 3266-3275

Simon C. (1999) DDT: Kulturgeschichte einer chemischen Verbindung, Basel: Merian Verlag

Weber J., Unger A. (2018) Experimente zur Entfernung alter Holzschutz- und Holzfestigungsmittel mit Methyl-tert-butylether (MTBE) aus ungefassten und gefassten Holzproben, Conserva Beiträge zur Erhaltung von Kunst- und Kulturgut, Heft 2 / 2018, 60-73

Wetzenkircher M. und Tobisch V.L. (2016) Gefahrstoffe in Museumsobjekten. Erhaltung oder Entsorgung. Beiträge zum Symposium des Technischen Museums Wien, 250 Seiten

Wildgruber O., Handelmann H., Weidner A. (2012) Umgang mit kontaminiertem Kulturgut. Museum aktuell Nr. 194. S. 12-15  

Winkler K., Föckel A., Unger A. (2002) Das Vakuumwaschverfahren, Dekontamination belasteter Hölzer im Einbauzustand, in Restauro, Vol.5, 339-343

WTA Merkblatt 1-8-13/D Dekontamination von Holzschutzmittel belastetem Holz I: Ermittlung und Gefährdungsbeurteilung, Hrsg.: Wissenschaftlich-Technische Arbeitsgemeinschaft für Bauwerkserhaltung und Denkmal-pflege e.V. -WTA-, Referat 1 Holz/Holzschutz, München 2014, 26 S.

WTA Merkblatt 1-9-13/D Dekontamination von Holzschutzmittel belastetem Holz II: Abreicherung von Holz Hrsg.: Wissenschaftlich-Technische Arbeitsgemeinschaft für Bauwerkserhaltung und Denkmalpflege e.V. -WTA-, Referat 1 Holz/Holzschutz, München 2014, 26 S.

Zalewski P. (2014) Biozidbelastete Kulturgüter. Grundsätzliche Hinweise und Texte zur Einführung in die Problematik. (Hg.) Paul Zalewski: Bericht über das EU-/ESF-Projekt “Kleine und Mittlere Unternehmen und Wissenschaft im Dialog. Dekontamination von Kulturgütern. 262 Seiten

Stephan Biebl

Dipl.Ing. (FH) Holztechnik
Mariabrunnweg 15
D-83671 Benediktbeuern

Telefon 08857 – 69 70 40
Fax 08857 – 69 70 41
info [at] museumsschaedlinge [dot] de

instagram

Schädlinge nach Werkstoffen sortiert

© , Stephan Biebl, Dipl.Ing. (FH) Holztechnik