Papierfischchen

Materialschädling in Archiven, Bibliotheken, Galerien und Museen

Papierfischchen Ctenolepisma longicaudata

Aussehen / Biologie Die erwachsenen Tiere sind 8 bis 15 mm lang. Das Weibchen legt durchschnittlich 56 Eier pro Jahr, die nur etwa 1mm lang und oval sind. Die hemimetabole Entwicklung vom Ei bis zum adulten Tier dauert bis zu 3 Jahre. Durch die Häutungen, die auch noch bei den erwachsenen Tieren erfolgen, können die Tiere verschiedene Farben von grau bis weiß aufweisen (siehe Bilder oben). Papierfischchen können bis zu 6 Jahre alt werden und extrahieren die benötigte Flüssigkeit aus der Umgebungsluft über den Enddarm während des Metabolismus. Hohe Temperaturen bis 35°C werden gut vertragen und die Entwicklung unterhalb von 16°C eingestellt. Unterhalb 11°C erfolgt i.d.R. keine Aktivität und für kurze Zeiträume können noch Temperaturen knapp unter 0°C vertragen werden. Nach Renker et al. (2017) ist das Papierfischchen seit 2007 in Deutschland etabliert.

Lebensweise In Gebäuden mit normaler Luftfeuchtigkeit und vorzugsweise Raumtemperaturen mit 20-22°C. Die Tiere kommen in Ausstellungen, Depots, Archiven und vorwiegend in den Büroräumen (Verwaltungsräume usw.) vor. Papierfischchen sind im Gegensatz zu Silberfischchen weniger lichtscheu und können auch tagsüber entdeckt werden. An Wänden findet man die Tiere auch tagsüber und oft hinter Bildern sowie teilweise zwischen dem Glas und dem Bild (Bild oben). Nach Landsberger (2019) gelten Regale oder Schränke mit glatten Oberflächen einer Rautiefe Rz kleiner 1,7 µm als geschützt gegen das Emporklettern von Papierfischchen. Dies kann man auch bei Kunststoffboxen oder ähnlich glatten Oberflächen (Glas, Metall, o.ä.) beobachten, wenn die Tiere dort nach einem „Hineinfallen“ gefunden werden. Nach Beobachtungen aus der Praxis können Papierfischchen aktiv schwimmen, wenn sie in einem Gefäß mit Wasser sind. Die Überprüfung im Labor ergab, dass die Tiere in Leitungswasser und destilliertem Wasser gut und (ziel-)gerichtet an den Rand vom Versuchsgefäß schwimmen können und die Körperoberfläche wasserabweisend ist (mündl. Hinweis Landsberger 08.12.2022)

Fischchen allgemein sind Generalisten und ernähren sich von Stärke, tierischem Leim, der Oberfläche von organischen Materialien oder auch Haaren, Hautschuppen und mikroskopischen Pilzen. Zu den Nahrungsstoffen von Papierfischchen zählen organische Leime in Papier, die aus Stärke, Dextrin oder Kasein bestehen können. Das Nahrungsspektrum erstreckt sich nach Pospischil (2020) über Museumspapier, Seidenpapier, Küchentücher, Toilettenpapier, Zellophan, Pappe, Packpapier, Kunstseide, Textilien pflanzlichen Ursprungs (Leinen und Baumwolle), Seide aber auch trockene Substanzen, wie Haferflocken, Oblaten, Weizenmehl, Maismehl (Füllmaterial für Pakete) oder proteinhaltiges Trockenfutter aus der Tiernahrung.

Schäden Unregelmäßige Löcher in Papier, Bildern (siehe Biebl 2020), Tapeten, Poster sowie angekratzte Oberflächen (Schabefraß) an bedrucktem Papier, Büchern, Bildern oder Fotoarbeiten. Zur Befallskontrolle ausgebrachte Insektenklebefallen aus Karton können oberflächlich angefressen werden. Da auch kranke oder tote Artgenossen gefressen werden (Kannibalismus), sind Schäden an Insektensammlungen möglich.

Bekämpfung Neueste Erkenntnisse stammen von (Wagner et. al. 2021). In dieser Untersuchung wurden drei gängige, biozidfreie Methoden unter Laborbedingungen für alle Entwicklungsstadien verglichen und nachfolgende Ergebnisse* erzielt:

  • Über 12 Stunden Kältebehandlung bei -20 °C
  • Über 1 Stunde Wärmebehandlung bei +47,5 °C
  • 48 Stunden Sauerstoffentzug bei 22 °C, 50 % RH und 0,1 % Restsauerstoffgehalt

*Hinweis: Da die ermittelten Einwirkungsparameter unter Laborbedingungen gemacht wurden und von bisherigen Standards deutlich abweichen, sollten diese Angaben für die Praxis vorläufig noch mit Vorbehalt gesehen werden.

Neben den oben genannten Methoden kommen in der Praxis auch biozide Fraßgelköder oder physikalisch wirksame Silikatstäube zum Einsatz. Die Wirksamkeit von Advion Schaben Gel gegen Papier- und Silberfischchen wurde nach Meldung vom Hersteller Syngenta in Labor- und Feldstudien bestätigt (Stand 10.07.2022, Meldung in DpS 07+08 Fachzeitschrift für Schädlingsbekämpfung, Seite 13).

Papierfischchen in Museen an der Cultura Suisse 2022 als Referat von Frau Dr. Bettina Landau. Zu sehen als Videolink auf YouTube

Monitoring
Adulte und juvenile Stadien
Klebefallen (mit/ohne Köder, wie z.B. Grillenpulver gemahlen),
Klebebänder
Lebendfallen

Literatur

Archivar (2018) Zeitschrift für Archivwesen Heft 04. 326-344 Beiträge von Verschiedenen Autoren Zugriff 21.03.2021

Aak et al (2021) Introduction, dispersal, establishment and societal impact of the long-tailed silverfish Ctenolepisma longicaudata (Escherich, 1905) in Norway. BioInvasions Records (2021) Volume 10. S. 1-16

Aak et al (2019) Long-tailed silverfisch (Ctenolepisma longicaudata) – biology and control, NIPH Revised edition – 2019, 43 Seiten

Bednar F. et al (2023) First records of two new silverfish species (Ctenolepisma longicaudatum and Ctenolepisma calvum) in Slovakia, with checklist and identification key of Slovak Zygentoma, Biologia 79 (2)

Betz G., Dobrusskin S., Herbst K., Landau B. und Querner P. (2021) Papierfischchen (Ctenolepisma longicaudatum Escherich, 1905) und ihre Verbreitung als invasiver Materialschädling in der Schweiz. In: Zeitschrift für Kunsttechnologie und Konservierung. Heft 2, S. 333-346

Biebl, Stephan (2019) Papierfischchen – Frei Haus. Der praktische Schädlingsbekämpfer 11/2019, S.12-14

Biebl, Stephan (2020) RESTAURO Online: Auszug vom Beitrag  Papierfischchen – Update 2020 

Brooks M. and Gutsmann V. (2022) Control of Ctenolepisma Longicaudata (Zygentoma: Lepismatidae) using bait. Proceedings of the 10th International Conference on Urban Pests, Juli 2022 in Barcelona, 369-373

Brierley L. (2018) Ein Papierfischchen kommt selten allein. Integriertes Schädlingsmanagement am Salzburg Museum. Restauro 2. S. 22-26

Brimblecombe P. and Querner P. (2021) Silverfish (Zygentoma) in Austrian Museums before and during COVID-19 lockdown. International Biodeterioration & Biodegradation. Volume 164, October 2021. Sciencedirect

Busch, V., Prozell, S. & Schöller, M. (2022) Selective feeding on paper and cardboard and limited dispersal of the long-tailed silverfish (Ctenolepisma longicaudatum Escherich, 1905) in archives. Pp. 225-227 in: Ryder, S. & Crossmann, A. (eds), Integrated Pest Management for Collections. Proceedings of 2021: A Pest Odyssey, The Next Generation. London, Archetype Publications, 262 pp

Dressen C. (2022) The detection of grey silverfish (Ctenolepisma longicaudatum Escherich, 1905) in the Museum of Applied Art, Frankfurt/Main. In: S. Ryder and A. Crossmann (eds), Integrated Pest Management for Collections. Proceedings of 2021: A Pest Odyssey, The Next Generation. Archetype Publications. 43-48

Escherich, Karl (1905) Das System der Lepismatiden. Zoologica, Original-Abhandlungen aus Zoologie Heft 43, Erwin Nägele Verlag, Stuttgart 1904

Felke, Martin (2018) Befall mit Papierfischchen in einem Frankfurter Wohn- und Gebäudekomplex. PCN 65/2018, S.5-8

Goddard, M.R., G.J. Foster and G.J. Holloway (2016) Ctenolepisma longicaudata (Zygentoma: Lepismatidae) new to Britain. Br J Ent Nat Hist 29: 3

Gutsmann, Volker (2019) Ein „Fischköder“ der besonderen Art“ DpS 02/2019, S. 6-7

Kahn, Eva (2018) Unbekanntes Urinsekt, Darstellung der ökologischen Nische von Papierfischchen, DpS 05/2018, S. 11-13

Kulma et al. (2021) Ctenolepisma longicaudatum Escherich (1905) Became a Common Pest in Europe: Case Studies from Czechia and the United Kingdom

Landau B. und Brandner C. (2021) Ein Papierfischchen-Krimi. Restauro Heft 6, S.

Landsberger B. (2019) Invasive Archivschädlinge – Anforderungen an ein integriertes Schädlingsmanagement (IPM) im Magazin. Erschienen in: Das Archivmagazin-Anforderungen, Abläufe, Gefahren, Landesarchiv BW Kohlhammer-Verlag. S. 78-84

Landsberger B. und Querner P. (2017) Neuer Materialschädling in der Kulturlandschaft, Papierfischchen breiten sich in Museen und Depots aus, Restauro 2/2017, S. 14-18

Lindsay E, (1940) The biology of the silverfish, Ctenolepisma longicaudata, with with particular reference to its feeding habits. Proc. Roy. Soc. Victoria 52: 47

Lock K. (2007) Distribution of the Belgian Zygentoma. In: Notes fauniques de Gebloux 60 (1), 2007, S. 25-27

Meineke T and Menge K (2014) Ein weiterer Fund des Papierfischens Ctenolepisma longicaudata Escherich, 1905 (Zygentoma, Lepismatidae) in Deutschland. Entomologische Nachrichten und Berichte 58: 2

Pospischil R. und Querner P. (2022) Unterscheidung von Fischchen. Identifizierung der in Mitteleuropa vorkommenden Borstenschwänze. DpS 07+08 Fachzeitschrift für Schädlingsbekämpfung. S. 26-28

Pospischil R. (2020) Papierfischchen sind Globalisierungsgewinner. DpS 12/2020. S. 12-14

Querner P. (2022) The Grey Silverfish and other species of Lepismatidae in Austrian Museums. Proceedings of the 10th International Conference on Urban Pests, Juli 2022 in Barcelona, 354-359

Querner P. (2022) The use of Advion cockroach gel bait against the Grey Silverfish (Ctenolepisma longicaudatum Escherich,1905) in museums in Austria. In S. Ryder and A. Crossmann (eds), Integrated Pest Management for Collections. Proceedings of 2021: A Pest Odyssey, The Next Generation. Archetype Publications. 202-207

Querner P. and Sterflinger K. (2021) Evidence of Fungal Spreading by the Grey Silverfish (Ctenolepisma longicaudatum) in Austrian Museums, Restaurator Institute of Natural Sciences and Technology in the Arts

Querner P., Erlacher S., Pospischil R. (2017) Alles Fischchen oder was? Fischchen in Wohnungen und Gebäuden, DpS 11/2017, S. 18-19

Querner, P. and Hassler D (2016) Do you also have the grey Silverfish Ctenolepisma longicaudata? Distribution and first damage to objects in museums in Austria. Talk at the 3rd International Conference in Museums, Archives, Libraries and Historic Buildings in Paris.

Renker C., Jäckel K. und Sander U. (2017) Das Papierfischchen (Ctenolepisma longicaudata Escherich, 1905) (Insecta: Zygentoma) – neue Funde und Anmerkungen zur Verbreitung in Deutschland. Mainzer naturwiss. Archiv, 54: 185–192

Rukke et al (2023) Insecticidal gel bait for the decimation of Ctenolepisma longicaudatum (Zygentoma: Lepismatidae) populations in libraries, museums, and archives, Journal of Cultural Heritage 59, 255-263

Rukke et al (2021) Spatiotemporal elements in a poisoned bait strategy against the long-tailed silverfish (Lepismatidae: Zygentoma) PLoS ONE 16(11): https://doi.org/10.1371/journal.pone.0260536

Sellenschlo, Udo (2007) Erstmals in Deutschland – das Papierfischchen Ctenolepisma longicaudatum Escherisch, 1905, DpS 9/2007: S. 6-7

Schoelitsz, B. Brooks, M. (2014) Distribution of Ctenolepisma longicaudatum in the Netherlands, Proceedings of the 8th International Conference on Urban Pests, Juli 2014 in Zürich, 353-356

Strassmann, Burkhard (2017) Die Papierfresser kommen. In: Die Zeit 10, 2. März 2017: S.33

Szpryngiel S. (2017) The grey silverfish (Ctenolepisma longicaudata) in Swedish museums, archives and libraries. Swedish Museum of Natural History. RIKSANTIKVARIEÄMBETET 2018. 1-48

Wagner J., Querner P. and Pataki‐Hundt A. (2022) Pest comparison of three  treatment methods for archive materials against the grey  silverfish. In S. Ryder and A. Crossmann (eds), Integrated Pest Management for Collections. Proceedings of 2021: A Pest Odyssey, The Next Generation. Archetype Publications. 94-102

Weitere Literatur beim Verfasser

Stephan Biebl

Dipl.Ing. (FH) Holztechnik
Mariabrunnweg 15
D-83671 Benediktbeuern

Telefon 08857 – 69 70 40
Fax 08857 – 69 70 41
info [at] museumsschaedlinge [dot] de

instagram

Schädlinge nach Werkstoffen sortiert

© , Stephan Biebl, Dipl.Ing. (FH) Holztechnik